Denkwürdiger Abend: Sylter Politiker kippen Straßenbaubeiträge
Es war ein ungewöhnlicher Abend im Kursaal. Die Gemeinderatssitzung findet normalerweise hinter verschlossenen Türen mit übersichtlichem Publikum statt. Nicht am gestrigen Donnerstag, dem 21.11.2024.
Gedenken an Nikolas Häckel
Zunächst wurde Nikolas Häckel gedacht und erklärt, dass die Familie Häckel keinerlei Öffentlichkeit wünscht und in Ruhe trauern will. Der Worte sind zu viele gefallen. Aus diesem Grund hat die Gemeinde auch darauf verzichtet, eine Traueranzeige zu verfassen. Kein böser Wille, wie hinter vorgehaltener Hand gemunkelt, sondern der Respekt vor der Familie war der Grund.
Der Kursaal zeigte sich gut gefüllt, denn es stand eine Entscheidung an, die für viele der Anwesenden existenziell war. Die Abschaffung oder Beibehaltung der Straßenbaubeiträge. Die Befürchtung, dass sich diese Gemeinderatssitzung von der Publikumsseite wie das Heimspiel des FC St. Pauli gegen den HSV ausnahm, wurde nicht bestätigt. Ab und zu murrten die Bürger über das ein oder andere Statement, doch im Großen und Ganzen blieb es diszipliniert.
Interessenvertreter vs Bürgervorsteher
Bürgervorsteher Andreas Dobrzinski erteilte Sönke Andresen das Wort, nachdem es verschiedene kleinere Beschlüsse gab. Andresen trug wie auch schon zwei Wochen vorher im CCS die Problematik vor. In Erwartung der Frage hörten sich die Politiker die Rede an, bevor Andresen aufgefordert wurde, zum Punkt zu kommen. Das führte zu einem kleinen Zwist zwischen den beiden. Am Ende durfte Andresen seine Ausführungen beenden, die sich mit denen vor 14 Tagen deckten. Frau Reckert war an diesem denkwürdigen Abend leider krank und konnte kein Statement geben.
Eine weitere Bürgerin fragte nach baulichen Problemen, die vom Bürgermeister nun selbst in die Hand genommen werden. Dann kam der Tagesordnungspunkt, der der eigentliche Grund für das Verlegen der Gemeinderatssitzung in den Alten Kursaal war. Die Straßenbaubeiträge.
Inselweit gab es laut Bürgermeister Carsten Kerkamm noch keine Einigung, da die Verantwortlichen der einzelnen Gemeinden wegen der Haushalte keine Entscheidung treffen wollten.
Statements der Fraktionen
Die Gemeindevertreter diskutierten nicht, sie gaben ihre Statements ab. Jede der Fraktionen hatte ihre ganz eigene Sicht auf die Dinge. Herr Erichsen von der SSW fasste es treffend zusammen:
"Wir haben genug geredet - es muss gehandelt werden."
Und sprach sich für eine Abschaffung aus.
Auch die Grünen und Bündnis 90 stellten sich auf die Seite der Sylter Bürger. Die CDU folgte den Befürwortern der Abschaffung, während sich die SWG und die Insulaner für eine Vertagung aussprachen.
Dem gleich tat es die SPD. Allerdings wurde es im Saal dann nochmal laut, als der Vertreter der SPD Nielsen den Satz des Abends aussprach:
"Wer ein Haus hat auf Sylt, der hat auch Geld."
Dass er dies vor Rentnern tat, die teilweise dreistellige Summen im Monat bekommen, schien er geflissentlich übersehen zu haben. Hier musste dann Herr Dobrzinski eingreifen und gerechtfertigterweise daran erinnern, dass in einer Demokratie jeder seine Meinung äußern darf. Und dies auf Gemeinderatssitzungen auch unkommentiert. Zur Erinnerung: Die einzelnen Fraktionen wurden gewählt. Von den Bürgern.
Und so wurde an diesem Abend ein Punkt unter ein Thema gesetzt, das seit Monaten für viele Bürger ein rotes Tuch war. Die Beiträge werden abgeschafft. Doch wer nun denkt, Deckel drauf und fertig, der sieht sich getäuscht. Vor dem Rathaus gab es gegenseitiges Schulterklopfen und erleichtertes Lächeln, doch auch den ein oder anderen irritierten Bürger.
Soziale Projekte in Gefahr?
Denn im Raum steht bei aller Euphorie das liebe Geld. Frau Körbes schloss sich der gerechtfertigten Argumentation der kritischen Fraktionen an. Woher wird das Geld für die Straßen denn nun genommen? Werden soziale Projekte betroffen sein? Werden die 100 fehlenden Pflegestellen weiterhin fehlen?
Vielleicht ist es Zeit, das Geld von denen zu verlangen, die unbedingt mit dem Auto auf die Insel kommen möchten... Es fehlen immer noch die kreativen Lösungsansätze für die Finanzierung.
Nach dem gestrigen Abend dürfte aber klar sein, dass Sylts Politiker für ihre Bürger da sind. Entscheidungen werden nicht leichtfertig getroffen.